Von: Johanna und Jean-Claude
"Wenn man sich in der Musikindustrie nicht prostituieren will verdient man damit kein Geld“
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Die "Fotos" während ihres Konzertes am 15.12.2010 im Heidelberger "Zum Teufel" |
Das Erste, was bei der Band „Fotos“ auffällt, ist der Name. Manch einer wird wohl schnell aufgeben, im Internet zwischen billigen Kameraangeboten und Bildbearbeitungsprogrammen etwas über die Band „Fotos“ zu finden. Dabei gehören die „Fotos“ zweifelsohne zu den interessantesten deutschsprachigen Bands.
Nachdem sich Thomas Hessler (Gesang, Gitarre), Deniz Erarslan (Gitarre), Benedikt Schnermann (Schlagzeug) und Frieder Weiss (Bass) 2005 in Hamburg eher aufgrund eines glücklichen Zufalls zu einer Band zusammengeschlossen haben, gab es 2006 bereits das selbstbetitelte, erste Album. Der Bekanntheitsgrad stieg vor allem durch den Hit „Giganten“ und schon bald standen einige Auftritte auf Festivals wie Southside oder Frequency auf dem Terminkalender. Das Erstlingswerk zeichnet sich besonders durch tanzbaren Indierock, der mit intelligenten, persönlichen Texten verfeinert ist, aus. Vergleiche mit Britrockern oder klassischen, englischen Indiebands werden immer wieder aufgeworfen, jedoch pflegen die „Fotos“ einen ganz eigenen Stil und bewegen sich schon seit ihrem ersten Album zwischen verschiedenen Genres. Obwohl die Bandmitglieder aus verschiedenen Städten kommen und sich nur ab und zu zum gemeinsamen Proben sahen, arbeiteten sie eifrig an ihrer Musik weiter und so erschien 2008 das zweite Album „Nach dem Goldrausch“. Der schnelle Erfolg und die damit verbundenen positiven sowie negativen Folgen werden auf diesem Album nicht nur in Text, sondern auch in Ton verarbeitet. Zwischen fröhliche Popsongs und Balladen mit ernsten Texten mischen sich im zweiten Album immer häufiger Elektroelemente. Mit diesen zwei Alben im Gepäck tourte die Band durch Deutschland und andere europäische Länder und spielte sogar auf Festivals in Asien. Spätestens durch die Teilnahme an Stephan Raabs „Bundesvision Song Contest“ 2009 blieben die „Fotos“ wohl nicht nur ein Geheimtipp, sondern konnten noch mehr Leute mit ihren Songs begeistern. Ende 2009 präsentierten Hessler und Erarslan im Rahmen einer Akustiktour durch Deutschland und Österreich einige ihrer Songs.
Dieses Jahr war für die „Fotos“ ein Jahr der Veränderung. Sie lösten sich von ihrem Label EMI/Labels und sind nun beim Berliner Indielabel „Snowwhite“ vertreten. Dort genießen sie nun alle Freiheiten, nach denen sie sich schon so lange gesehnt hatten und machen so viel wie möglich selbst. Gemeinsam mit Produzent Olaf O.P.A.L. nahmen sie ihr drittes Album „Porzellan“ auf, welches im September veröffentlicht wurde. Die musikalische Veränderung zu den Vorgängern ist kaum zu überhören: alles scheint etwas düsterer, melancholischer und ruhiger zu sein. Hesslers Texte werden nun mit Synthesizer, psychedelischen Chören und dumpfen, rauen Klängen dramatisiert und regen zum Nachdenken an. Was er später im Interview als „Reise durch die Nacht“ beschreibt, ist durchaus eine passende Beschreibung der Stimmung, die im Album vorherrscht.
Backstage bei...
Anlässlich der aktuellen „Porzellan“-Club-Tour haben wir Tom Hessler den Sänger der Band zum Interview im Heidelberger „Zum Teufel“ getroffen.
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Tom Hessler, Sänger der Band
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Face2Face: Ihr seid nun nicht mehr bei eurem alten Label EMI/Labels, sondern beim Berliner Indielabel Snowwhite vertreten. Was hat sich dabei für euch positiv sowie negativ verändert?
Tom: Nachdem wir unser zweites Album „Nach dem Goldrausch“ veröffentlicht hatten, haben wir für uns als Band einfach festgestellt, dass wir viel zu sehr unter dem Druck des großen Labels stehen. Das war auf keinen Fall das, was wir wollten. Wir haben gemerkt, dass das viele Touren und der Druck, ein neues Album aufzunehmen, uns besonders privat sehr belasten. Das Bandleben hat in dieser Zeit das Privatleben viel zu sehr in den Hintergrund gedrängt. Deswegen machen wir jetzt so gut es uns gelingt, alles selbst. Jetzt sind wir absolut zufrieden mit „Porzellan“.
Face2Face: Stichwort „Porzellan“. Euer neues Album klingt im Vergleich zu den Vorgängern sehr anders. Es ist viel düsterer, melancholischer und ruhiger. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?
Tom: Wir waren, wie schon gesagt, einfach unzufrieden mit unserer Entwicklung. Und nicht nur wir, sondern auch die Fans waren unzufrieden, weil wir einfach nicht unser Bestes geben konnten. All diese Gefühle finden sich in unserer Musik wieder. Außerdem thematisiert das Album den Eskapismus im Nachtleben und die gesamte Weggehkultur. Ich war zu dieser Zeit sehr viel in Berlin unterwegs und habe meine Gefühle und Eindrücke niedergeschrieben. Das Album ist für mich wie eine „Reise durch die Nacht“.
Face2Face: Auf eurer Homepage bietet ihr ein „Fan Ticket“ an. Was hat es damit auf sich?
Tom: Das war eine Idee, die ich zusammen mit Freunden hatte. Es geht einfach darum, eigene, individuelle Tickets nach 60er Jahre Vorbild anzubieten. Die Tickets sollen nicht standardisiert und lieblos auf ein normales Papier gedruckt sein, sondern zur Band passen und etwas repräsentieren. Wir verkaufen die Tickets selbst über unsere Homepage und als Dankeschön gibt es für die Fans eine kleine Überraschung, meistens Merchandise-Artikel.
Face2Face: Habt ihr sogenannte Stylingvorbilder?
Tom: Konkrete Vorbilder haben wir nicht. In Sachen Musik, Mode, Architektur und Autos sind die 60er Jahre stilistisch gesehen am geschmackssichersten. Schwarz-weiß, Vitra-Design und Yves Saint Laurent finde ich toll, um nur einiges zu nennen.
Face2Face: Viele Musiker, beispielsweise Paul Smith von „Maximo Park“ oder Brandon Flowers von den „Killers“ haben dieses Jahr eine Solo-Platte veröffentlicht. Wie sieht es bei dir aus? Arbeitest du an einem Solo-Projekt?
Tom: Ich bin dabei eine Solo-Platte aufzunehmen, das ist aber alles noch sehr anfänglich. Dabei handelt es sich um avantgardistische, elektronische Filmmusik. Ich wollte einfach mal etwas Neues ausprobieren. „Pop-Musik“ ist über die Jahre gesehen schon total abgegrast. Wir arbeiten neben den „Fotos“ alle auch an anderen Projekten.
Face2Face: Unsere Leser interessiert was ihr privat für Musik hört. Mögt ihr alle den gleichen Musikstil oder gibt es da Unterschiede. Kannst du uns einen Hörtipp geben?
Tom: Was die Musikstile angeht, sind wir alle unterschiedlich, deswegen kann ich nur von mir selbst sprechen. Zurzeit höre ich viel Psychedelic wie z.B. die Platte von „Ariel Pink's Haunted Graffiti – Today“ oder das neue Album von „1000 Robota – Ufo“. Eine wirklich sehr gelungene Platte, noch besser als der Vorgänger.
Face2Face: Da ihr oft auf Tour seid, kommt ihr überhaupt noch dazu, selbst auf Konzerte zu gehen?
Tom: Eher nicht. Bei dem ganzen Tourstress sind wir immer sehr froh, wenn wir zu Hause sind und unsere Ruhe haben. Wir gehen natürlich ab und zu mit Freunden auf Konzerte oder wenn befreundete Bands ein Konzert spielen aber sonst gehen wir nur ab und zu auf Festivals.
Face2Face: Ihr wart auch in Asien auf Tour. Inwiefern unterscheidet sich das asiatische vom europäischen Publikum?
Tom: Das europäische Publikum ist sehr kleinlich und kritisch, alles wird sehr ernst genommen. Das asiatische Publikum ist viel euphorischer und neugieriger. Auch wenn die Texte nicht verstanden werden, die meisten können trotzdem mitsingen.
Face2Face: Was ist das Beste vor und nach dem Konzert?
Tom: Vor dem Konzert ist es meistens nicht so toll. Es ist zu kalt, man friert und hat entweder Hunger oder ist zu vollgefressen, man ist entweder nicht betrunken genug oder viel zu betrunken. Außerdem sind wir immer noch nervös. Nach dem Konzert ist definitiv die Euphorie am tollsten. Zu merken, dass man die Menschen begeistert und dass die Musik gut ankommt, das ist am besten.
Face2Face: Habt ihr Zeit, euch die Städte, in denen ihr spielt, anzuschauen? Speziell zu Heidelberg: Kennt ihr euch ein bisschen aus in Heidelberg?
Tom: Meistens haben wir dafür keine Zeit, da wir den halben Tag im Bus sitzen. In Indien hatten wir mehr Zeit, da hatten wir immer einen Tag Konzert und einen Tag frei. Wir sind sogar extra zehn Stunden gefahren um uns für zwei Stunden das Taj Mahal anzuschauen, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Heidelberg kennen wir gar nicht, wir spielen hier jetzt das dritte Mal, aber wir waren noch nie auf dem Schloss.
Face2Face: Wenn es mit der Musikkarriere nicht geklappt hätte – welchen Beruf würdest du heute ausüben?
Tom: Meine Mutter wollte mich immer als Arzt oder Lehrer sehen. Wenn ich die Musik nicht hätte wüsste ich auch nicht mehr weiter.
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